LUGcamp Pannel vom 2005.05.07 - GPL, zu uns inkompatibel?

... und folglich gibt es an diesem LUG-Camp am Samstag Abends von 21:00 bis 22:00 einmal anstelle eines Vortrages ein Pannel. Also eine Diskussion auf der Bühne wo jeder der Lust hat mitmachen (oder auch nur lurken) kann. Ziel ist einfach eine Debatte zu einem kontroversen Thema zu haben, Meinungen auszutauschen, und vielleicht auch noch jemand zu überzeugen.

Und was könnte heute kontroverser sein als die ganze Lizenzfrage, und die damit stets implizierte Drohung jemand zu verklagen? Die Drohung, Gericht und Polizei auf ihn zu hetzen, wenn er sich nicht so verhält wie man es haben will. Diktatur im Kleinformat.

Auslöser war als Christian Grothoff meinen Sigblock Spruch (was ja auch etwas kontroverses sein soll) gesehen hat:

  GNU GPL is neo-american style freedom: forcing you to be free -
  from possibility of doing what they regard as harming yourself
    

Bei dem Spruch ging es mir natürlich darum, einen Widerspruch aufzuzeigen, der sich in der Linux Welt eingeschlichen hat:

• Einerseits sind wir (oder behaupten es zumindest(!)) Leute die Eigenständigkeit, Selbstverantwortung, Respekt vor anderen, freie Wahl, usw wollen und fördern, und daher Gewalt, Zwang, usw ablehnen.
• Anderseits verehren wir (oder zumindest ein Teil von uns) in Form der GPL ein System das explizit von Gesetzen (und somit Gewalt) gebrauch macht, anderen Leuten Verbote aufzuerlegen und damit sie einzuschränken, zwecks eigener Meinung durchsetzen.

Ob das nun die vom Gesetzgeber vorgesehene "mehr Geld durch Kopiermonopol" Zielsetzung ist (oder auch nur "das bleibt meins auch wenn ich es verkaufe" Geltungsdrang befriedigen), oder unser "gefährliche/böse nicht-freie abgeleitete Projekte verhindern" ist (oder "befreiende Code Herausgabe" erzwingen), ändert die grundsätzliche Handlung von Gewalt gegen andere für die eigenen Ziele nicht. Auch die bei beiden Akteuren vorhandene "wir tun das doch nur fürs euer Bestes" Mentalität ist die gleiche.

Fragen sind hier mehrere:

• Widersprechen wir nicht uns selber mit Freiheit vs Gewalt?
• Brauchen wir (und die "Schützlinge") derartige Gewalt derart, dass wir dafür unsere Werte über Bord werfen müssen?
• Müssen wir derart Leute daran hindern eine teil-unfreie Software nutzen zukönnen (und erst noch mit Risiko dass sie ohne diese Wahl bei voll unfreier Software bleiben)? Notabene Leute die nur zu uns kommen, weil sie freier sein wollen.
• Was ist aus unseren Vorstellungen geworden davon, Leute zu überzeugen dass sie das Bessere und Freiheit wollen (so wie wir überzeugt wurden), und daher von sich aus richtig handeln, das wir heute den entmündigenden Kindermädchen Staat (Nanny State) spielen müssen?
• Müssen wir unseren Ruf "die Guten" zu sein (dazu gehört auch für andere vertrauenswürdig zu sein) derart opfern, indem wir von Freiheit reden, Leuten die GPL empfehlen, und sie danach ausnehmen? (Der Sigblock entstand als Reaktion auf einen FSFE Typen der am letzen Linuxtag sich darüber freute, jemand so reingelegt zu haben, und auf Kritik mit dem verbrechertypischen "er hätte halt eben aufpassen sollen" antwortete)
• Brauchen wir den Profit von freigelegtem Code derart dringend, dass wir den Schaden (an unserem Ruf und den anderen ihr Leid) eingehen müssen?
• ... beliebig andere vergleichbare Fragen hier ...

WICHTIG: Es geht bei dieser Diskussion explizit nicht um die Frage, ob die GPL uns Nutzen bringt. Das tut sie, genauso wie Raub dem Räuber etwas bringt. Frage ist ausschliesslich ob das zu uns passt, das die Gesellschaft ist für die wir uns einsetzen.

Ich (und sicher auch Christian) freuen uns auf eine rege Diskussion.

Diese Seite ist von Neil Franklin, letzte Änderung 2005.03.10